Ein digitales Gedankenlabor von [Ruben Cadonau](https://www.dogmathink.com/uber/) Hier gehts direkt zum [[§ Index|Inhaltsverzeichnis]] ### **1. Wissenschaft beginnt nicht im Labor** Wenn wir an Wissenschaft denken, sehen wir oft Labore: Menschen in weißen Kitteln, Reagenzgläser, sterile Umgebungen. Erkenntnis scheint dort zu entstehen, wo Hypothesen an Maschinen geprüft und Daten statistisch ausgewertet werden. Am Ende steht die Veröffentlichung in renommierten Journalen wie _Science_ oder _Nature_ – der Lohn jahrelanger Arbeit. Doch was ist mit den Geisteswissenschaften – den _Humanities_? Hier gibt es keine Mikroskope, keine DNA-Sequenzierer. Naturwissenschaftlicher Fortschritt hinterlässt Spuren aus Stahl und Glas: Teilchenbeschleuniger, Satelliten, Impfstoffe – Ergebnisse, die greifbar, sichtbar und eindrucksvoll sind. Es ist unmittelbar erfahrbar, wie diese wissenschaftlichen Einsichten unser Leben besser machen. Geisteswissenschaftlicher Fortschritt hingegen verläuft stiller. Er steckt nicht im Gerät, sondern im Gedanken. Und dieser Gedanke wirkt nicht selten im Verborgenen: in Essays, Bildungsplänen, Alltagsgesprächen – in langsamen Verschiebungen dessen, was wir für selbstverständlich halten. Geisteswissenschaftliche Erkenntnis verändert unsere Sprachen, Begriffe und Sichtweisen – aber er glänzt nicht. Und genau das macht ihn so schwer sichtbar. Weltdeutung, Sinnsuche, Religionskritik – darf da wirklich jeder mitreden? Und ist das noch *Wissenschaft*? Ich meine: ja. Wissenschaftlichkeit ist kein Privileg der Apparate. Experimentieren beginnt im Kopf. In Garagen und Bibliotheken, auf Spaziergängen und an Küchentischen. --- ### **2. Wissenschaft ist ein Anspruch** Was wir _wissenschaftlich_ nennen, ist eine Zuschreibung – aber keine willkürliche: Sie verweist auf Erkenntniswege, die sich durch methodische Strenge, argumentative Sorgfalt, präzise Dokumentation und die Bereitschaft zur selbstkritischen Revision auszeichnen. Solchen Erkenntnissen schreiben wir in unserer Gesellschaft einen besonders hohen Geltungs- und Wahrheitsanspruch zu – zurecht. Wissenschaftliches Wissen genießt epistemisches Prestige, weil es sich dem Ideal intellektueller Redlichkeit und Nachvollziehbarkeit verpflichtet. Doch Wissenschaftlichkeit hängt nicht an Institutionen. Sie ist keine Frage der Zugehörigkeit, sondern des Vorgehens: Wer differenziert beobachtet, systematisch denkt, experimentell vergleicht, kritisch reflektiert und bereit ist, eigene Theorien zu revidieren, betreibt Wissenschaft – auch jenseits etablierter Strukturen. Institutionen helfen, diese Standards zu sichern – durch Qualitätssicherung, Verfahren, öffentliche Sichtbarkeit. Sie professionalisieren wissenschaftliche Arbeit, ermöglichen Karrieren, machen Forschung anschlussfähig an Gesellschaft und Politik. Und sie sind durchlässiger geworden: Auch Menschen aus nicht-akademischen Milieus oder mit unkonventionellen Bildungswegen können heute Teil wissenschaftlicher Netzwerke werden. Doch diese Öffnung hat ihren Preis. Mit der Demokratisierung ist die Steuerungsdichte gestiegen: mehr Gutachten, Formulare, Modulpläne, Drittmittelanträge, Gremien, E-Mails. Die Verfahren, die den Zugang regeln und sichern sollen, rauben zunehmend jenen die Zeit, die eigentlich forschen, lesen, schreiben, denken wollen. Gerade in den Geisteswissenschaften, wo Erkenntnis sich in langsamen Lektüren, langen Gedankengängen und offenen Fragen vollzieht, bleibt dafür immer weniger Raum. Das Denken wandert an die Ränder – in Pausen, Randzeiten, Notizen. Wer heute nicht nur produktiv, sondern **gründlich** denken will, braucht eigene Strategien. Der digitale Zettelkasten ist für mich eine davon – und **Dogma-Lab** mein öffentlicher Versuch, diesen Denkraum sichtbar zu machen. --- ### **3. Der Zettelkasten: Notizen als Denkwerkzeuge** Schon lange bevor es digitale Tools gab, sammelten Intellektuelle wie Walter Benjamin, Roland Barthes oder Hans Blumenberg ihre Gedanken auf kleinen Zetteln. Aber keiner hat das systematische Arbeiten mit Zettelkästen so auf die Spitze getrieben wie Niklas Luhmann.: Er schuf ein eigenständiges Denk- und Publikationssystem auf Basis vernetzter Notizen. Der Zettelkasten ist kein Archiv. Er ist ein aktives Denkwerkzeug. Ein Ort, an dem Gedanken aufeinandertreffen, sich verketten, widersprechen, neu sortiert werden. Eine Infrastruktur für die Langzeitproduktion von Ideen. Die Methode hilft, komplexe Themen über Jahre hinweg zu bearbeiten – nicht linear, sondern vernetzt. Und sie lässt sich heute digital weiterentwickeln. --- ### **4. Ein digitales Gedankenlabor** Was der Physiker im Labor erforscht, experimentiert der Geisteswissenschaftler mit Begriffen, Argumenten, Metaphern. In Seminaren, Aufsätzen, Debatten reifen und entwickeln sich Ideen durch kollaborativen Austausch, Kritik und Auseinandersetzung weiter. Aber wo denken wir für und alleine? Wo darf ein Gedanke unausgereift sein? Wo werden persönliche wissenschaftliche Intuitionen verfolgt, verworfen, überarbeitet? Der Zettelkasten ist mein Ort dafür und auf **Dogma-Lab**gebe ich Einblick in meine Werkstatt der Gedanken. Hier mache ich sichtbar, woran ich gerade arbeite. Ich veröffentliche _prä-publizierte_ Texte, Denk-Experimente, komplexe Argumentationsskizzen – oft roh, manchmal sperrig, aber ehrlich. Kein Anspruch auf Repräsentativität. Aber ein Anspruch auf Wissenschaftlichkeit im Sinne methodischer Reflexion, argumentativer Sorgfalt und inhaltlicher Tiefe. Ich glaube: Der digitale Zettelkasten kann ein neues _Labor der Geisteswissenschaften_ sein – für Einzelne, für Teams, für alle, die ihr Denken schärfen wollen. --- ### **5. Einladung** Dogma-Lab ist mein Versuch, Denken öffentlich zu machen, bevor es fertig ist. Ich lade dich ein, mit hineinzublicken. --- ###### Datenschutzerklärung and Impressum [[Datenschutzerklärung|Data & privacy]] | [[Impressum]]