Ein Essay über das Schreiben, 16.05.2025
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Schreiben fühlt sich für mich herausfordernd an und braucht viel Energie – trotzdem oder gerade deswegen liebe ich es so. Auf das Schreiben folgt die mühsame Redaktionsarbeit, die immer und immer wiederholte Überarbeitung des eigenen Textes. Es ist Arbeit, anstrengende Arbeit, körperlich als auch psychisch erschöpfend. Ein Handwerk, das viele genau deshalb fürchten und meiden.
Mir dagegen macht es Spass, es ist erfüllend, den eigenen Fortschritt im Rückblick wahrnehmen zu können. Wie frühere Texte schwer verständlich, wirr strukturiert und teils unnötig komplex geschrieben waren. Und wie die eigene Handschrift flüssiger, verständlicher und prägnanter wird, und wie meine Texte eine eigene Melodie entwickeln. Es sind nur kleine Erfolge, aber ich feiere jeden – weil jeder Einzelne hart erarbeitet ist.
Und wenn ich ehrlich bin – ich bin noch immer unzufrieden mit meinem Stil. Ich denke, dass meine Texte Leserinnen und Lesern sauer aufstossen könnten, dass sie schwer und unverdaulich klingen, dass ich nie so elegant schreiben werde, wie meine großen Vorbilder es tun.
Und jeden Tag entscheide ich neu, weiterzumachen und wieder zu schreiben, vielleicht weil ich nicht ohne kann, vielleicht weil ich doch ein wenig daran glaube, dass es sich lohnt und vielleicht auch bloß, weil ich etwas zu verzweifelt bin, um aufzugeben.
Wenn ich nicht weiterschreibe, wie soll ich dann jemals herausfinden, ob ich meine ambitionierten Ziele erreichen könnte? Deshalb mache ich weiter. Und deshalb will ich auch diese Webseite am Leben erhalten.
Denn das _schöne_ Schreiben ist eines – nicht nur schreibe ich, weil ich schöne und lesenswerte Texte schreiben möchte –, Schreiben ist auch eine Denkpraxis. Ohne Text gäbe es keine anspruchsvolle und komplex vernetzte Praxis des Forschens, des kritischen Nachdenkens und des theoretischen Entwerfens, wie es in der heutigen wissenschaftlichen Praxis möglich ist.
Schreiben zwingt uns, anders zu denken. Vernetzt. Komplex. Selbstreferenziell. Es ist der Versuch, die Grenzen unseres Verstandes zu überschreiten.
Selbst wenn ich es aufgeben würde, schöner und verständlicher zu schreiben, so würde ich doch immerzu weiter schreiben, um jeden Tag ein wenig mehr von der Welt zu verstehen.
Deswegen ist Schreiben als Handwerk nicht nur kräftezehrend, wie es ja jedes Handwerk ist, sondern auch _erfüllend_. Mich macht es glücklich meine Energie in eine Arbeit zu investieren, die etwas Kunstvolles, schönes oder neues und überraschendes hervorbringt, etwas, das Lesern und Leserinnen ein Fenster in eine andere Welt öffnen kann.
Für mich lebt Dogmathink.com von dieser Hoffnung, dass jeder Schreiben kann, und wir durch Texte einen intimen Einblick geben können, in andere Welten, in unsere Ideen und in unsere Seelen.
Denn noch herausfordernder als zu schreiben ist es, den eigenen Text zu veröffentlichen. Jedes Mal, wenn ich einen Text im Internet ausstelle, fühle ich mich nackt und verletzlich – dabei sind es nur aneinandergereihte Buchstaben auf einem weißen Hintergrund.
Aber unsere Sprache ist für unser Selbstverständnis, unsere Identität derart elementar, dass wir uns verletzlich machen, wenn wir sie mit anderen teilen.
Wie ich spreche, was ich schreibe, welche Wörter, in welcher Zusammensetzung und Kombination ich verwende; all das verrät so viel darüber, wer ich als Mensch bin – was ich erlebt, erfahren und gehört, gelesen habe –, dass es mir fast schon Angst macht, wie leicht wir alle doch zu durchschauen sind. Und wie verletzlich wir alle doch sind, besonders in einer Welt, in der alles digital gespeichert und beinahe alles irgendwo im Internet auffindbar geworden ist.
Unsere Worte sind wie unsere nackten Körper.
Wir wollen das nicht, wir wehren uns, finden eine Sprache, die immunisiert, die Angst macht, die bedrohlich und roh ist. Viel Wut und Hass im Internet erkläre ich mir zumindest selbst auf diese Weise. Aber auch der Hass und die Wut verrät viel über uns, wenngleich wir damit die Aufmerksamkeit auf andere lenken wollen und uns selbst, unsere Worte, vor dem durchdringenden Blick der anderen damit zu schützen meinen.
Schreiben macht mich verletzlich. Und gerade deshalb will ich es nicht lassen. Vielleicht ist genau das, was ich fürchte, der Ort, an dem Texte anfangen zu leben.
Und auch so mancher wissenschaftlicher Text erwecken in mir manchmal diesen Eindruck. Das nämlich in einer Sprache geschrieben und in einem Vokabular gesprochen wird, der bereits in seiner Form eine Mauer aufbaut, die ihr Anliegen vor dem Zugriff unbefugter schützen soll.
Auf dogmathink.com will ich niemanden denunzieren oder vorschreiben, wie richtiges Schreiben und Sprechen auszusehen hat. _Ich will lernen, mich selbst ein wenig verletzlicher zu machen, indem ich manche meiner Texte öffentlich ausstelle._
Natürlich sind alle Texte _entworfen_, nicht bloß seelische Ergüsse aus schamhafter Blöße und rohen Gedanken. Texte sind Artefakte, erschaffen und geschliffen, wie ein Bildhauer sein Werk behaut.
Aber trotzdem geben sie etwas preis von uns, unsere Leidenschaften, Interessen, Lüste und Herzensanliegen – wie der prachtvolle David Michael Angelos über seine Bewunderung für den Körper, umso mehr der Text darüber, was uns Zeit, Geld und Schweiß wert ist, überhaupt einen Text zu erschaffen.
Ich will damit werdende Autorinnen und Autoren ermutigen, Interessierte neugierig machen und von meinen Lesern und Leserinnen lernen, ob mein Schreiben sie erreicht und aus ihrer konstruktiven Kritik lernen.